Oliver 5, Bj. 1913 (32)

Tastatur: Amerikanisch mit @-Zeichen
Renoviert von: Heiko Stolten im Juli 2019

Geschichtliches rund um das Baujahr 1913, dem Baujahr der Oliver 5
April 1912:
Die Titanic sinkt.
Juni 1913:
Norwegen führt als erster Staat Europas das Frauenwahlrecht ein.
Sept. 1913:
Charles Chaplin unterschreibt seinen ersten Filmvertrag
Aug. 1914:
Beginn des 1. Weltkriegs

Oliver Modell 5 von 1913. 35 Grad im Schatten – Fotosession im Garten. Mal was anderes!

Eine schmuddelige „Batwing / Fiver“

Der Volksmund sagt: „Kaufe möglichst kein gebrauchtes Auto das direkt von einer Küste, also von einem Meer stammt, bzw. lange dort gefahren wurde“.

„Warum nicht“?
„Weil die Salzhaltige Luft und die Feuchtigkeit dem Metall weitaus mehr zusetzen als es im Inland der Fall wäre“.
„Klingt irgendwie logisch, nicht wahr?“


Nun, diese Oliver 5 stammt aus genau so einer Region. Von der Nordseeküste, genauer gesagt aus Cuxhaven. Und verdammt noch eins, so sieht sie auch aus. Rostig vor allem, dazu sehr dreckig, schmierig und insgesamt ungepflegt. Die hat wenigstens 50 Jahre zugebracht ohne das sie benutzt wurde.
Ein typisches Oliver-Problem ist seit je her Rost! Und was mache ich? Ich kaufe eine von der Küste. Für ihren traurigen Zustand hat sie aber erstaunlich gut erhaltene Tasten, beinahe Neuwertig, und sie würde funktionieren, sagte der Verkäufer. Und weil er mir die Maschine zu dem noch bis fast in den Ort brachte wo ich meinen Arbeitsplatz habe, ich also keine Fahrt- oder Portokosten hatte, habe ich mir die rostige Braut angelacht. Und wie man auf dem oberen Foto sehen kann, ist sie wieder ganz ansehnlich geworden. Klar, es fehlen die üblichen, man kennt das ja, Teile:

• Der Stifthalter
• Die Farbbandabdeckungen
• Die Kerne für die Farbbandspulen

Aber egal, die Kerne habe ich, eine Farbbandabdeckung ebenfalls, und der Stifthalter wird sicherlich auch bald kommen. Ebenso ist die Rückstelltaste außer Funktion. Ich kenne ihren Mechanismus noch nicht, möglicherweise muss ich nur wieder etwas einhängen. Mal sehen, das kommt schon noch.

Urzustand. Tatsächlich schreibt sie aber von Anfang an.

Eine Amerikanerin mit @-Zeichen

Ja klasse, jetzt bräuchte ich noch einen USB-Anschluss an der Oliver, und schon könnte ich, weil sie das „@“ auf der Tastatur hat, eMails schreiben.
Es funktioniert zwar alles, aber die Aufzugdose macht eigenartige Geräusche. Da muss ich mal hinein sehen. Ebenso ist die doppelte Umschaltung etwas träge. Sie ist wirklich arg reinigungsbedürftig. Ob ich das wieder hin bekomme? So langsam beschleichen mich leise Zweifel.

1. Schreibtest im Urzustand
Erster Schreibtest nach der Fertigstellung.

Sie schreibt mit einer Sonderschrift

Die Ziffern müssen, wie man sieht nachjustiert werden, die sind etwas zu hoch eingestellt. Das dürfte kein Problem sein, dafür gibt es wie bei der Oliver 3 und Oliver 4 eine Einstellmutter. Was aber wieder einmal große Klasse ist, und was ich beim ersten Schreibtest erst bemerke. Sie schreibt mit einer sogenannten Raumsparschrift, oder Perl-Schrift. Eine etwas verkleinerte Pica Schrift, die ich besonders toll finde weil sie so zierlich, elegant ist. Das habe ich bei einer Oliver noch nicht gesehen. Okay, die Buchstaben tanzen noch etwas, aber auch das lässt sich ja bekanntlich einstellen. Ist halt ein typisches Oliver-Problem.

Die Unterschiede sind erkennbar. Von links: Oliver Stolzenberg 3, 4 + Oliver 5

Die dritte Oliver geht in die Werkstatt

Zunächst einmal wird demontiert was schnell zu demontieren ist. Der Wagen zuerst, dann der Tastenkamm, die Feststelltaste für die Umschaltung und diverse Kleinteile, Hebel sowie Anbauteile. Die Typenhebel lasse ich vorerst unbeachtet. Ich bin aktuell noch dabei eine Schrott Oliver III auseinander zu nehmen um an ihr zu üben sie wieder zusammen zu setzen. Wenn das alles Zufriedenstellend verläuft nehme ich diese Oliver 5 auch komplett auseinander. Vorerst mache ich aber nur das was geht, und oberste Priorität hat die Funktionalität und das ich mit ihr schreiben kann. Das konnte sie ja bereits im völlig verdreckten Zustand. Was also spricht dagegen das sie es auch im gereinigten Zustand nicht könnte? Nichts!
Oder…. „Zoiiiing…..“

Ei verflucht, das Geräusch kam aus der Aufzugdose! Die Stahlschnecke darin, wie ich vermute. Ich denke mal das sie jetzt ist gebrochen ist. Das hatte ich ja schon geahnt und mir vorsorglich auf Youtube ein entsprechendes Video angesehen welches zeigt wie man das wieder repariert. Ist schon toll die digitale Welt!

Die Aufzugschnecke und das gerissene Aufzugbändchen

Genau wie im Video gezeigt, so war auch meine Aufzugschnecke in der mittleren Nut auf der Mittelachse gebrochen. Tatsächlich nicht wirklich gebrochen, sondern es ist ein etwa 5 Millimeter großes Stück abgebrochen. Das Teil auf dem Foto, welches in der Mitte der Schnecke zu sehen ist. Hier habe ich es schon wieder für die Nut auf der Mittelachse passend zurecht gebogen. Nun muss die Schnecke nur wieder gespannt werden.
Seit mir einmal eine Schnecke einer Erika 8 im gespannten Zustand um die Ohren geflogen ist, bin ich bei der Reparatur einer Aufzugschnecke immer sehr vorsichtig. Ich entspanne mich erst dann wieder wenn der Deckel verschraubt ist und die Schnecke vor lauter Spannung nicht mehr heraus springen kann. Alte Themen und Dramen eben die da immer mal wieder anklingeln!

Nun geht’s dem Dreck an den Kragen

Die Demontage beginnt …

Ja, schön ist sie wirklich nicht mehr. Zumindest zeigt sie es nicht und verbirgt das was unter ihrer Dreckschicht schlummert. Im unterem Foto wird sie nach und nach entkleidet. Die Aufzugdose versieht nach insgesamt drei Versuchen sie wieder gangbar zu machen klaglos ihren Dienst. Und wenn das Ding schon einmal geöffnet ist, so dachte ich mir, fädel ich gleich eine neue Aufzugschnur ein. Die wird nämlich von innen her verknotet. Und die Dose noch einmal öffnen zu müssen? Nööö, nicht wirklich. Also bekommt sie eine Moderne Schnur aus Nylon, eine Angelsehne, verpasst.

Nach und nach beginnt sie wieder Glanz anzunehmen. Einiges was ich Anfangs für Rost hielt war in Wirklichkeit wohl Nikotin oder sonst etwas das aussieht wie Rost. Eine Patinaschicht im Rostlook. Dennoch, da beißt die Maus keinen Faden ab, die Batwing hat nach wie vor Roststellen, und zwar echte.
Das lässt sich zwar mit Metallputz ganz ordentlich beseitigen. Es bleiben aber matte Stelle zurück. Der Dremel wird da sicherlich noch für etwas mehr Glanz sorgen können. Ich habe nur gerade keine passenden Polieraufsätze. Später! Das ist eine Arbeit für Wintermonate.

Na, das wird doch wieder …

Oliver wird wieder Oliv

38 Grad im Schatten. Eigentlich wollte ich im Sommer ja keine Schreibmaschinen betüddeln. Aber was soll ich machen? Ich bekomme eine geile Maschine nach der anderen. Das innerhalb kürzester Zeit und für weniger als ein Taschengeld. Für die Hammond und die Senta hatte ich Zeit, da hatten wir noch einen verregneten Sommer. Aber nun glüht es draußen, und im Werkkeller ist es angenehm kühl. Also mache ich die Vorarbeiten.
Mehr und mehr taucht aus dem verborgenen, unter dem Dreck, Farbe auf. Nämlich die typische Farbe der Oliver. Oliv! Und an den Metallteilen kehrt hier und da schon wieder Glanz zurück. Nur die Bügel für die Typentürmchen sind wirklich sehr rostig, wie man sieht. Da müssen entweder bei Gelegenheit neue her, oder ich versuche es noch einmal mit der Poliermaschine.
Aber wie gesagt, wir haben einen heißen Sommer und ich habe wirklich keine Lust jetzt zu polieren. Das ist eine Arbeit für Regentage, bzw., für den Herbst/Winter. Vorerst soll die „fiver“ wieder perfekt schreiben können. Auf die Schönheitsfarm kommt sie dann wenn es kühler wird.

Feister
olivfarbener
Hintern

Auf dem Foto oben ist ihr mächtiger Hintern bereits aufgearbeitet. Nur das alte Aufzugbändchen hängt noch schlaff herum. Das wird gleich ausgetauscht, wenn ich die Aufzugfeder wieder gangbar mache.

Und so
sah das
vorher
aus.

Die Oliver kommt aus der Versenkung

Meine Zweifel, die ich Anfangs hegte, zerstreuen sich nun Stück für Stück. Die Aufzugdose tut wieder das wofür sie von den Konstrukteuren ersonnen wurde, die Farbe und auch mehr Glanz als zunächst Erwartet, kehrt zurück. Kurz, die Oliver beginnt mir zu gefallen.

Vorher und nachher

Eine Anschaffung für das ganze Leben!?

Wenn ich bedenke, das ich sie noch einmal auf Hochglanz polieren werde, dann denke ich das dieses ein schönes Exemplar einer Oliver 5 sein wird. Und das nach über 100 Jahren (Baujahr 1913) Lebenszeit. Und man beachte: Ich reinige sie nur, ich restauriere sie nicht. Sie hat im Fundzustand vollkommen und tadellos funktioniert.
Ich finde es immer wieder beachtlich wie robust und langlebig Schreibmaschinen waren und es noch immer sind. Einige meiner Maschinen sind weitaus älter als 100 Jahre. Unter dem Aspekt betrachtet, dass eine Herstellerfirma für Schreibmaschinen Profit machen musste, ist das doch um so mehr erstaunlich das manche dieser Hersteller so lange am Markt verweilen konnten. Scheinbar hatten sie nicht so viel verkauft, wenn eine Schreibmaschine so langlebig war. Man müsste meinen sie hätten mit so einer Firmenpolitik in den Konkurs gehen müssen. Sind sie aber nicht. Man bedenke wie lange die Erika gebaut wurde. Von 1910 bis in die 1990er Jahre. Und auch eine Erika war mehr als robust und langlebig. Eine Schreibmaschine war somit praktisch für viele Menschen eine einmalige Anschaffung für ihr ganze Leben. Warum glauben wir Verbraucher heute eigentlich den Aussagen so vieler Hersteller von Produkten des täglichem Lebens, das Produkte nur eine „kurze“ Lebensdauer haben? Jeder kennt das offene Geheimnis von der sogenannten „Sollbruchstelle“. Wo war die bei einer Schreibmaschine?
Irgendwie hat das damals doch auch funktioniert, und wir haben unsere Dinge selbst repariert oder reparieren lassen.

Schöne, saubere Tasten. US Tastatur mit @-Zeichen.
Das Metall wird später poliert. Vorerst aber schreibt sie super.
Aus Chicago kommt sie also. Ob sie 1913 mit einem Dampfer der White Star Line, der Titanic-Linie über den großen Teich nach Europa gekommen ist?

06.09.2019
Sie tippt wieder tadellos. Sie ist sehr schön leichtgängig und hat einen ungewöhnlich leichten und leisen Anschlag. Ich habe mit ihr bereits einige Texte und Briefe geschrieben. Die Aufzugdose hält, und ebenso das neue Aufzugband. Alles in allem bin ich sehr zufrieden mit der fiver.

© 2019 Schreibstube Krempe
Fotos & Text by Heiko Stolten